Ein erster Höhentest

Neue Wanderschuhe, neue Trekkinghose, neues Fleece… all das will getragen werden. Am Wochenende war es endlich soweit und ich habe meine neue Wanderausrüstung erstmals ausgeführt. Der ein oder andere erfahrene Wanderer mag jetzt aufhorchen und sagen: „Oh, ist es denn so clever, mit ganz neuen Schuhen auf eine Zwei-Tages-Tour zu gehen?“ Nein, ist es nicht. Aber ich lerne ja am besten, wenn ich Dinge ausprobiere…

Ein typischer Touri

Wer nach Arequipa kommt, der macht auch einen Ausflug in den berühmten Cañón de Colca. Es ist fast unmöglich als Tourist im Zentrum, nicht von einem der 20 verschiedenen Reiseveranstalter angesprochen zu werden. Das erste Angebot ist immer das gleiche: Ein 1-3 Tage Ausflug in den Colca Cañón. Zwar geht einem die immer gleiche Ansprache irgendwann gehörig auf den Zeiger, gebucht habe ich trotzdem eine 2-Tages Tour. Denn für mich stand schon von Anfang an fest, dass ich durch diesen Canyon spazieren würde. Spazieren – wie sich später herausstellen sollte – ist in diesem Zusammenhang allerdings das falsche Wort.

Der erste Stopp auf dem Weg zum Canyon ist Chivay. Ein kleines Örtchen, in dem die Eintrittsgebühr von 70 Soles fällig wird. Der Ort liegt übrigens schon auf stolzen 3650m – so hoch war ich zuvor noch gar nicht hier. Da wir aber morgens um 3 Uhr im Hostel abgeholt wurden und ich in Chivay gerade aus dem Tiefschlaf gerissen wurde, hat mich die Höhe vollkommen kalt gelassen und ich habe mein Ticket halb schlafwandelnd geholt. Ab dann war ich aber wach und bereit fürs Abenteuer.

El Cóndor Pasa – Der Kondor fliegt vorüber

Ich schätze so ziemlich jeder hat schon einmal die Melodie von „El Cóndor Pasa“ gehört. Vermutlich in Kombination mit einer Panflöte. Ich kann nun sagen, dass ich dieses alte peruanische Volkslied hier noch überhaupt gar nicht gehört habe, dafür aber sehr wohl ein Kondor an mir vorbei geflogen ist.

Der Kondor ist DAS Symbol der Anden. Zugegeben: Der Vogel ist auch ziemlich beeindruckend. Die Spannweite seiner Flügel wird bis zu 3m und er kann wohl bis zu 30 Minuten in der Luft segeln, ohne ein einziges Mal mit den Flügeln zu schlagen. Wir haben an diesem Morgen ein Jungtier gesehen. Das war zwar schon genauso groß wie ein ausgewachsener Kondor (die übrigens 40 Jahre alt werden können), hatte aber noch ein braunes Federkleid.

Da gleitet der Kondor an uns vorüber. Er hat übrigens wirklich nicht mit den Flügeln geschlagen…

Es wird ernst: Cañón de Colca

Nach einem kurzen Frühstück (in meinem Fall Pan mit gesalzener Butter und Tee) haben wir den Startpunkt unserer Trekkingtour erreicht. Entweder hatte ich es verdrängt oder man hatte uns vorher gar nicht gesagt, wie weit wir eigentlich laufen würden. Ist auch egal, gemacht hätte ich es so oder so.

Tag 1: Distanz – 17km, Höhenmeter – ca. 1200m, fast alles bergab.

Nach etwa der Hälfte habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als mal für ein paar Meter bergauf zu laufen, denn meine Knie waren von dem unebenen Boden bergab nur bedingt begeistert. Wenngleich Beine, Knie und Füße (ja, die ersten Blasen bzw. Druckstellen in meinen neuen Schuhen kündigten sich an) gemeckert haben, die Aussicht war es allemal wert.

Die Colca-Schlucht hat eine total spannende Vegetation. Einerseits ist dort alles grün, trotzdem wirkt das Ganze aufgrund von zahlreichen Kakteen mitunter total karg. Dann wiederum wachsen da Feigen, Avokados, Granatäpfel und noch so einiges mehr. Unser fruchttechnisches Highlight waren die gelblich-roten Früchte der Kakteen. Nachdem ein Typ unserer 11-köpfigen Wandertruppe eine dieser Früchte jedoch ohne jegliche Vorbereitung mit der bloßen Hand gepflückt hat und danach für ca. 5 Minuten mit einer Pinzette bearbeitet wurde, hat von da an Rafael (unser Guide) für die Versorgung mit den saftig-süßen Früchten gesorgt. Yummiiieee!

Hier sind wir noch relativ weit oben und ich dachte noch, dass meine Wanderschuhe überhaupt nicht nötig gewesen wären… Diese Aussage hab ich später allerdings zurück genommen.

Tag 2: Distanz – ca. 8km, Höhenmeter – die gleichen 1200m wie am Vortag, ausschließlich bergauf

An Tag zwei habe ich mir schon ca. um 4:45 Uhr gewünscht, endlich wieder ein bisschen bergab laufen zu dürfen. Los gegangen war es eine Viertelstunde früher. Vor uns lag ein ca. 3 Stunden Aufstieg, bei dem wir wirklich auf die Probe gestellt wurden (vor dem Frühstück versteht sich). Bis auf drei, sind aber alle bis zum Schluss gelaufen und haben Abstand vom sog. „Inka-Taxi“ (einem Maultier) genommen.

Ich selbst bin nach ca. 2 Stunden und 45 Minuten oben angekommen und habe es sogar geschafft, den Großteil der Zeit über den Wolken herzulaufen, die direkt nach dem Sonnenaufgang ins Colca-Tal gezogen sind. Ich habe gelernt: Meine Kondition ist definitiv noch ausbaufähig, meine Begeisterungsfähigkeit ist dafür aber – wie so oft – in Topform. Wahnsinn wie wunderschön dieser Track trotz vollkommen durchgeschwitzter Kleidung war.

Die Höhe habe ich – glaube ich zumindest – so gut wie gar nicht gemerkt. Wir waren während des Trekkings aber auch nie höher als in Chivay. Meine Schuhe dürften jetzt übrigens mehr oder weniger eingelaufen sein. Zumindest sehen sie jetzt anständig benutzt aus. Und mein 90€ Merino-Wolle Shirt, ist jeden Cent wert: 2 Tage Dauer-Schwitzen und das Ding riecht immer noch wie neu. Großartig.

Da kommt noch mehr

Ich habe anfangs mal geschrieben, dass Peru für seine Landschaften bekannt ist und ich mich aufmachen würde, die zu finden. Mit der Colca-Schlucht habe ich einen ziemlich guten Start hingelegt. Die Nacht in der „Oase“ in einfachen Blockhütten mit lauwarmer Dusche (immerhin!) war kurz, der „Spaziergang“ für einen ungeübten Wanderer wirklich anstrengend, unsere Truppe eine bunte Mischung aus Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Spanien und unser Guide Rafael (der übrigens barfuß in vor-steinzeitlichen Turnschuhen marschiert ist) eine echte Frohnatur mit einem unglaublichen Wissen über die ganze Region. Kein Wunder, er lebt dort und ist an 6 von 7 Tagen die Woche in der Schlucht unterwegs.

Ich kuriere meine Beine jetzt erstmal wieder aus und dann geht’s hoffentlich schon bald zum nächsten Track.

Übrigens: Ich bin mit nur einer Blase davon gekommen und mir tun die Füße jetzt (1 Tag später) auch fast gar nicht mehr weh 😉