Anfangsschwierigkeiten eines Backpackers
Backpacken ist nicht neu für mich. 10 Monate durch Australien, 2 Wochen Interrail in Europa hier, 1 Monat Costa Rica da… Backpacken jenseits der 30 und noch dazu mit einem 40% Job, ist allerdings neu. Und ich muss mich an einiges (wieder) gewöhnen.
Erstens: Die Sache mit meinem Kram.
Ich reise ja bekanntlich mit einer Reisetasche und nicht mit einem Rucksack. Soweit so gut. Im Vergleich zum Rest der (Bus-)Reisenden wiegt mein Gepäck aber ungefähr das Doppelte. Das ist so lange kein Problem wie ich an einem Ort bin. Der Clue beim Backpacken ist aber bekanntlich, seinen Standort sehr regelmäßig zu wechseln. Ich breche mir also jedes Mal halb einen ab, wenn ich meine Tasche aus dem 2. oder 4. Stock auf die Straße hieve. Und da ich meinen gesamten Arbeitskram ungern in den Tiefen eines Busses verschwinden sehe, ist mein 35L Zusatzrucksack auch immer prall gefüllt und kommt mit in die Kabine.
Zweitens: Die Sache mit den Hostels.
Ich schlafe nicht mehr im Schlafsaal. Überhaupt will ich mir das Zimmer mit niemandem teilen. Damit stehe ich ebenfalls im krassen Kontrast zum ganz großen Teil der Backpacker hier. Alle Welt scheint überhaupt kein Problem damit zu haben, mit wildfremden Schnarchern das Zimmer zu teilen. Hab ich gemacht, ist lange her. Brauche ich nicht mehr.
Hat aber zur Folge, dass ich die Hostelempfehlungen via Facebook, Reiseblogs oder an der Rezeption immer erstmal auf verfügbare Einzelzimmer prüfen muss. Da meine Ansprüche abgesehen von Privatsphäre zum Schlafen und Arbeiten glücklicherweise nicht besonders hoch sind, bin ich bisher auch immer gut fündig geworden.
Allerdings ist die ständige Suche nach der nächsten Unterkunft (und dem Bus, der einen dort hin bringt) mitunter ganz schön stressig. Darum bin ich bisher auch immer etwas länger an einem Ort geblieben und freue mich sehr, jetzt einfach mal für einen Monat fest in Arequipa zu sein. Hier ist mein Zimmer übrigens wunderbar 🙂

Drittens: Die Sache mit den Kontakten.
Der Start in Lima war tatsächlich mehr als holprig. Das Hostel war fein und die Stadt nicht so „molochig“ wie befürchtet. Aber: Ich bin dort 4 Tage allein durch die Gegend getigert. In meinem Hostel haben fast alle nur spanisch gesprochen (was jetzt auf einem spanischsprachigen Kontinent nicht besonders verwunderlich ist). Aber es war auch fast nie jemand wie ich allein unterwegs. Sich einfach an einen Tisch setzen und drauf los quatschen, ist ja dann doch nicht meins. Und da ich mir ja wie gesagt kein Zimmer teile, bleiben die Kontakte an der Front auch aus.
Glücklicherweise haben sich die Anfangsschwierigkeiten mittlerweile etwas gelegt. In Paracas hab ich eine nette Abiturientin kennengelernt und auf dem Weg von Ica nach Nazca eine andere Reisegruppe, der ich mich so halb angeschlossen hab. Es wird also besser.
Ah, der „normale“ Backpacker ist übrigens gefühlt zwischen 18 und 25 😉 Aber da ich neulich auch für eine Abiturientin gehalten wurde, gehöre ich ja praktisch in die Altersgruppe.
Viertens: Die Sache mit den Sachen, die man gemacht haben muss.
Ich sage nur: Flug über die Nazca Linien. Meine Güte. In Nazca gibt’s nicht wirklich viel, außer eben diese Linien, von denen nach wie vor kein Mensch so richtig weiß, wo sie eigentlich herkommen. Die riesigen Scharrbilder (50-130m groß) sind gut sichtbar im Wüstenboden. Warum Wind und gelegentlicher Regen ihnen nichts anhaben können, hab ich nicht verstanden. Egal. Sehen tut man sie auf jeden Fall nur wirklich, wenn man drüber fliegt. Und ein Flug über die Nazca Linien gilt als etwas, das man in Peru gemacht haben muss, wenn man – wie ich – von Lima nach Arequipa reist.
Da mir aber schon in einem normalen Linienflugzeug bei den kleinsten Turbulenzen schlecht wird, weiß ich nicht warum ich gedacht habe, ich könnte einen Flug in einer 6-Passagier + 2-Piloten Maschine heile überstehen… Hab ich auch nicht. Dabei können wir es belassen. Ich habe jedenfalls beschlossen: Nur weil „man etwas gemacht haben muss“, muss ich ab sofort gar nichts mehr 🙂

Fünftens: Die Sache mit dem W-Lan
Zum Arbeiten brauche ich Internet. Während es in Lima wenig Probleme gab, hat mein Aufenthalt in der Wüste (Ica, Nazca) zu kleineren Wutausbrüchen meinerseits geführt. Wenn weder Hostel W-Lan noch Hotspot richtig funktionieren, werde ich in Sachen Geduld stark auf die Probe gestellt. Jeder, der mich kennt, weiß: Geduld gehört nicht zu meinen Stärken.
Fazit: Anders reisen ist voll ok.
Mal abgesehen von meinem Gepäck (das nervt echt), habe ich mich inzwischen soweit eingelebt, dass ich sagen kann: Ich bin einfach kein typischer Backpacker, der von einem Highlight des Kontinents zum nächsten düst, möglichst billig übernachtet und nicht mehr als 10 Soles für ein Mittagessen ausgeben will. Ich bin ganz zufrieden langsamer unterwegs zu sein, in sauberen Zimmern zu schlafen und nicht jeden Sol zweimal umdrehen zu müssen.
Vielleicht lerne ich nicht jeden Tag neue Leute kennen und vielleicht sehe ich auch nur halb so viel, wie ich in 6 Monaten sehen könnte. Aber so fühle ich mich wohl – und darauf kommt es schließlich an.


